1417-2017: Wiedergewinnung der materiellen kirchlichen Einheit durch die Papstwahl auf dem Konzil von Konstanz (1414 -1418)

(4. Teil) Die erste Konzilssitzung wurde in Konstanz auf den 16. November 1414 anberaumt. Die Anliegen, denen sich dieses Konzil zu widmen hatte, waren durch die Not der Zeit klar vorgegeben. Vor allem drei Grundprobleme galt es zu lösen: Erstens die Einheit wiederherzustellen, an der die Christenheit in jener traurigen Zeit formell durchaus festhielt, die aber durch verschiedene unsichere „Papstwahlen“ materiell seit Jahrzehnten bedroht war. Dann musste die Kirche damals auch auf Irrlehren antworten, die sich ausbreiteten. Und schließlich sollte eine Reform an Haupt und Gliedern der Verweltlichung und dem sittlichen Niedergang bei Hirten und Herde entgegenwirken.
Die Einheit wieder herzustellen, erschien als die schwierigste Aufgabe, an der ja schon die Kirchenversammlung von Pisa 1409 gescheitert war, welche damals den römischen Papst Gregor XII. (1406 – 1415) und den in Frankreich residierenden Benedikt XIII. (1394 – 1423) abgesetzt und dafür Alexander V. (1409 - 1410) gewählt hatte, aber damit statt der Zweiheit nur eine Dreiheit von „Päpsten“ geschaffen hatte.
Alexander V., durch dessen Nachfolger Johannes XXIII. (1410 – 1415) nun das Konzil von Konstanz einberufen worden war, hatte nach seiner Wahl die beiden bisherigen Kardinalskollegien vereinigt und damit alle Mitglieder als Kardinäle anerkannt, alle Urteilssprüche aufgehoben, die während des Schismas gegeneinander gefällt worden waren, sowie die Ehedispensen von beiden Päpsten und die von beiden Seiten erteilten Benefizien bestätigt.
Dennoch war die Uneinigkeit damals nicht überwunden, weil die beiden ersteren Päpste seine Wahl und das Konzil von Pisa nicht als rechtmäßig anerkannten, das nur von Kardinälen einberufen und geleitet worden war und sich auf eine „konziliare Theorie“ berief, die zumindest im Notfall ein Konzil als über dem Papst stehend betrachtete, was aber dem überlieferten Glauben der Kirche widersprach. (Pisa wurde deshalb später auch nicht als „allgemeines Konzil“ von der Kirche anerkannt. Allerdings spielte diese falsche konziliare Idee auch in Konstanz noch eine große Rolle und wurde erst nach Beendigung der Spaltung allmählich überwunden, als die Kirche sich wieder um einen einzigen Nachfolger Petri scharen konnte. Auch Konstanz gilt seither nur insofern als allgemein verbindlich, als es von späteren Päpsten anerkannt worden ist).
So schaute nun die gesamte katholische Welt nach Konstanz. Diese Stadt hatte damals nur etwa 5500 Einwohner, war aber von einem sehr fruchtbaren landwirtschaftlichen Umland umgeben und auch per Schiff leicht zu erreichen und zu beliefern, so dass sie sehr geeignet erschien, als Konzilsort zu dienen und eine große Zahl von Fremden inner- und außerhalb der Stadtmauern zu beherbergen. Zudem lag Konstanz im Einflussbereich des deutschen Königs Sigismund von Ungarn, dem die Überwindung der Uneinigkeit in der damaligen Christenheit sehr am Herzen lag, was also ebenfalls eine günstige Voraussetzung darstellte.
Das Konzil wurde dann auch ein Großereignis der damaligen Zeit. Schätzungen gehen von bis zu 100.000 Menschen aus, die zu Spitzenzeiten in Konstanz und der weiteren Umgebung versorgt werden mussten. Zusätzlich brauchte man Ställe und Futter für bis zu 30.000 Pferde (Vgl. Gill, Joseph, Konstanz und Basel-Florenz, Mainz 1967, S. 49).
Jede Persönlichkeit mit Namen erschien mit großem Gefolge von Sekretären, Dienern und Soldaten. Allein Johannes XXIII. wurde von 600 Reitern eskortiert und selbst der einfache Priester Jan Hus, welcher Armut für die Kirche und ihre Vertreter forderte und predigte, erschien mit acht Dienern.
Neben den 29 Kardinälen, drei Patriarchen, 35 Erzbischöfen, über 150 Bischöfen, 100 Äbten und 570 Doktoren betrug die Zahl der übrigen Kleriker samt ihrem Gefolge 18 000 Personen. Es erschienen aber auch 100 Herzöge und Grafen, 2400 Ritter und 116 Vertreter von Städten. Die Ritter veranstalteten auch Spiele und Turniere. Dazu kamen 1400 Flötenspieler, hunderte Prostituierte und eine ungeheuere Menge von Händlern und Dienstleistern nach Konstanz, aber auch viele sonstige Neugierige oder an irgendeinem Verdienst Interessierte. 2000 Polizisten sollten für Ordnung sorgen.
Als Johannes XXIII. am 28. Oktober 1414 in Begleitung von neun Kardinälen und einer großen Schar Prälaten dort ankam, waren noch nicht allzu viele Menschen anwesend. Von Tag zu Tag kamen aber mehr Teilnehmer, am 17. November Pierre d’Ailly, Kardinal-Bischof von Cambrai, der als Präsident eine Rolle auf dem Konzil spielen sollte, dann auch viele Adelige, die Gesandten Englands und die Repräsentanten der Universität Wien, aber auch der von Gregor XII. ernannte und entsandte Kardinal Johannes Dominici. Sigismund, der am 8. November 1414 in Aachen zum deutschen König gekrönt worden war, versprach, so schnell wie möglich auf dem Konzil zu erscheinen. Jan Hus war am 3. November eingetroffen, versehen zur Sicherheit mit einem Geleitbrief von König Sigismund.
König Sigismund traf dann am heiligen Abend in Konstanz ein und sang in der von Johannes XXIII. zelebrierten Mitternachtsmette, angetan mit der Dalmatik des Diakons und mit der Krone auf dem Haupt, das Evangelium, obwohl er damals noch gar nicht römischer Kaiser war (die Krönung erfolgte erst 1433). Er war zunächst sehr aufgebracht, als er erfuhr, dass man Hus am 28. November trotz seines Geleitbriefes verhaftet hatte, ließ es aber dann doch zu, solange Hus sich nicht von Irrlehren distanzieren wollte und so dem Glauben Schaden zufügen konnte.
Sigismund hatte auch mit Gregor XII. und Benedikt XIII. Kontakt aufgenommen und wünschte, dass das Konzil mit den Sitzungen so lange warte, bis auch deren Gesandte eingetroffen seien. Diese kamen dann Anfang Januar, wobei Gregor XII. anbot, zurückzutreten, wenn dies auch die beiden anderen „Päpste“ tun würden oder wenn zumindest Johannes XXIII. jener Sitzung, auf welcher der Rücktritt verkündet würde, nicht beiwohnen würde. Benedikt XIII. bot durch seine Gesandten wenigstens an, sich mit Sigismund in Nizza treffen zu wollen.
Johannes XXIII., der ja sowieso nur ungern nach Konstanz gekommen war, merkte, dass er gegenüber den beiden anderen, in Pisa „abgesetzten“ Päpsten nicht bevorzugt behandelt wurde und dass es eine allgemeine Tendenz gab, von allen dreien den freiwilligen Rücktritt zu erwarten. Er hatte ursprünglich gehofft, durch die italienischen Bischöfe ein Stimmenübergewicht zu seinen Gunsten zu besitzen. Nun kamen aber Vorschläge, dass bei den Abstimmungen auch den Vertretern von Bischöfen, Äbten, Kapiteln und Universitäten sowie den Magistri, Doktoren und Abgesandten der Fürsten ein volles Stimmrecht gegeben werden solle. Diese Überlegungen waren eine Folge der damals verbreiteten und schon erwähnten konziliare Idee, nach der die Kirche als Gesamtheit aller Gläubigen die höchste Autorität auf Erden besitze und ein Konzil das Organ der Kirche sei, welche diese Gesamtheit der Gläubigen repräsentiere.
Schließlich entschied das Konzil am 7. Februar 1415, dass nach Nationen abgestimmt werden solle, was die Übermacht der italienischen Bischöfe und damit auch jede besondere Stellung von Johannes XXIII. praktisch aufhob: Die Italiener, die Franzosen, die Engländer und die Deutschen, denen sich die Polen anschlossen, wählten je einen Ausschuss. Wenn ein Ausschuss zu einer Frage zu einem Ergebnis gekommen sein sollte, sollten sich alle vier Ausschüsse treffen und die gutgeheißene Maßnahme dann der Generalkongregation zur Bestätigung vorlegen. Die Aufgliederung nach Nationen, die damals bei Professoren und Studenten an den Universitäten üblich war, sollte wohl auch auf dem Konzil bei der Suche nach Lösungen den nationalen Interessen Gehör verschaffen, die ja stets wieder auch Anlass zu neuen Spannungen oder Spaltungen geben und jede Bemühung um Einheit zunichte machen konnten. Vor allem England und Frankreich waren schon seit Jahrzehnten miteinander in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt (Hundertjähriger Krieg).
Zum großen Schrecken von Johannes XXIII. war in jenen Tagen gar eine Liste mit Beschuldigungen gegen ihn in Umlauf gebracht worden. Da erklärte er sich am 16. Februar bereit abzudanken, wenn auch seine beiden Konkurrenten dies tun würden. Diese Erklärung wurde am 7. März dann in die Bulle „Pacis bonum“ eingefügt, so dass Johannes keine Möglichkeit zur Ausflucht mehr blieb.
König Sigismund bot an, falls die Gespräche in Nizza mit Benedikt XIII. positiv verlaufen sollten, könnte er als Bevollmächtigter von Johannes XXIII. die Abdankung aussprechen, doch das lehnte Johannes ab. Es gab Gerüchte, Johannes und gewisse Kardinäle wollten das Konzil bald verlassen, um die Weiterführung zu unterlaufen. König Sigismund befahl deshalb, die Tore gut zu bewachen.
Herzog Friedrich von Österreich veranstaltete dann allerdings am 20. März 1415 ein Turnier außerhalb der Stadtmauern. Bei dieser Gelegenheit „gelang es Johannes, als Pferdeknecht verkleidet auf einem jämmerlichen Reittier unter Führung eines Kindes … die Stadt zu verlassen“ (Gill, J., a.a.O., S. 57) und nach Schaffhausen zu gelangen. Die Ratlosigkeit in Konstanz war nun groß, und das Konzil wäre wohl schließlich auseinandergelaufen, hätte nicht König Sigismund energisch darum gerungen, die Anhänger der verschiedenen Meinungen und Absichten wieder zusammenzubringen und die Ordnung aufrechtzuerhalten.
Johannes schrieb an mehrere Länder und beschwerte sich in Schreiben an die Universität Paris sowie an den Herzog von Orléans darüber, dass man das übernationale Konzil in Nationen aufgespalten und einfachen Klerikern oder sogar Laien ein Stimmrecht eingeräumt habe, sowie dass König Sigismund die freie Meinungsäußerung durch seine beherrschende Stellung unterdrücke. Er befahl allen Mitgliedern seiner Kurie unter Androhung der Exkommunikation, sich binnen sechs Tagen nach Schaffhausen zu begeben. Er schrieb auch an die Kardinäle, von denen ihm schon mehrere nachgereist waren, gab allerdings auch mehreren Kardinälen und Prälaten Vollmachten, in seinem Namen seine Abdankung auszusprechen.
Das Konzil trat schließlich am 26. März zur dritten Session zusammen. In der gegebenen Situation stellte sich die Frage, ob das Konzil auch kraft eigener Autorität handeln und sprechen konnte. Darauf musste nun eine schlüssige Antwort gegeben werden. Es sollte ja die Kirchenspaltung abgewendet und die Kirche unter einem allgemein anerkannten Nachfolger Petri wieder in ihrer Einheit gefestigt werden.
Die Nationen waren hierbei den Kardinälen gegenüber misstrauisch. Es gab Bestrebungen, diese zu entmachten. Absichtlich teilte man den Kardinälen erst eine Stunde vor Eröffnung der Sitzung die Tagesordnung mit, worauf fünf von den sieben anwesenden Kardinälen die Teilnahme verweigerten. Nur Kardinal Pierre d’Ailly und Kardinal Zarabella erschienen, der erste als Präsident, letzterer, um vor König Sigismund, siebzig Bischöfen und einer großen Schar von Theologen und Rechtsgelehrten die Dekrete zu verlesen.
Es wurde beschlossen und verkündet, dass das Konzil rechtmäßig in Konstanz einberufen, eröffnet und versammelt sei, dass die Abreise von Johannes XXIII. und anderer die Autorität des Konzils nicht verringere, dass man erst nach Beendigung des Schismas auseinander gehen dürfe, dass das Konzil ohne eigene Zustimmung nicht an einen anderen Ort verlegt werden und kein Konzilsmitglied sich entfernen dürfe. Die Kardinäle D’Ailly und Zarabella erklärten, sie wollten Johannes XXIII. treu bleiben, solange er sich bemühe, den Frieden in der Kirche auch durch seine Abdankung wiederherzustellen. (Johannes hatte ja bereits Delegierte ernannt, die für ihn die Abdankung aussprechen konnten.) Sollte er aber sein Wort nicht halten, wollten sie sich dem Konzil unterwerfen.
In Vorbereitung auf eine neue Sitzung betonten Franzosen, Deutsche und Engländer am 29. März in vier Artikeln nochmals, dass das im Heiligen Geist versammelte Konzil von Konstanz rechtmäßig und allgemein sei, seine Autorität als Vertretung und Repräsentanz der Streitenden Kirche unmittelbar von Gott habe, dass auch der Papst wie alle Gläubigen in Sachen des Glaubens, der Reform der Kirche und der Beendigung des Schismas diesem Konzil zu gehorchen habe und ansonsten bestraft werde usw.
Johannes XXIII. flüchtete indessen von Schaffhausen weiter ins 30 Meilen entfernte Laufenburg, da er nicht mehr mit dem Schutz durch Herzog Friedrich von Österreich rechnen konnte, der ihn bei der Flucht aus Konstanz ursprünglich unterstützt hatte, der aber nun von König Sigismund in den Konzilsbann getan worden war und deshalb mit Angriffen der Deutschen, Ungarn und auch der Schweizer rechnen musste. Weil Johannes sich weiterhin grundsätzlich zur Abdankung bereit erklärte, unterstützten ihn aber dennoch weitere Kardinäle und Kurialbeamte.
Nach weiteren Konzilsversammlungen am 30. März sowie am 5. April, auf denen das Konzil unter anderem Johannes verbot, die Kurie aus Konstanz abzuberufen und alle seine Strafen aufhob, die er seit seiner Flucht ausgesprochen hatte, wurde auf der fünften Sitzung am 6. April nochmals die Oberhoheit des Konzils in einem Dekret betont. Damit schien ein Prinzip zur Dauerlösung erhoben, das ursprünglich eigentlich nur als Werkzeug zur Lösung der damaligen Krise angewendet werden sollte. „So entschied … am 6. April 1415 die heilige ‚rechtmäßig im Heiligen Geist versammelte, ein Allgemeines Konzil bildende und die streitende katholische Kirche repräsentierende’ Synode von Konstanz, dass sie die höchste Autorität in der Kirche darstelle und zuständig sei, in unfehlbarer Weise gewisse Dekrete auszusprechen… Das war Konziliarismus in der extremsten Form. Die Autorität der Kirche lag weder beim Papst noch bei den Kardinälen, sondern bei der Versammlung der Gläubigen…, deren Sprecher die Nationen waren“ (Gill, J., a.a.O. S. 62).
Inzwischen war Hieronymus von Prag eingetroffen, dem freies Geleit gewährt wurde, um sich gegen den Vorwurf der Häresie zu verteidigen.
Die sechste Sitzung nahm dann die Bedingungen und die Formel von Johannes XXIII. zu seiner Abdankung an, dem vorgeschrieben wurde, binnen zehn Tagen eine der vom Konzil festgelegten Städte als Residenzort zu wählen. Zugleich wurde eine Kommission zur Prüfung des Falles Hus gebildet.
Endlich plante man sogar, da Papst und Kardinäle von den geplanten Reformdekreten selbst betroffen sein würden, einen Antrag auf Ausschluss des Papstes und der Kardinäle von allen Konzilsdiskussionen zu stellen.
Da formulierten die Kardinäle Vorschläge, gestützt auf die Darlegungen vieler Dekrete und Anmerkungen von Kanonisten, wie das Verhältnis von Papst und Kardinälen zur Gesamtkirche und zu den Allgemeinen Konzilien nach kirchlicher Lehre richtig bestimmt werden muss. Gegen diese fundierte Darstellung konnten die Verfechter des oben skizzierten radikalen Konziliarismus nicht wirklich Argumente beibringen. Und so widersprach schließlich eine große Mehrheit dem radikalen Vorschlag auf dem Konzil, Irrlehrer ohne Berufung auf den Papst zu verurteilen. Selbst der katholische Patriarch von Alexandrien, ein entschiedener Gegner von Johannes XXIII., sah, dass dieses Recht dem Papst in Übereinstimmung mit dem Konzil vorbehalten war.
Johannes XXIII. versuchte indessen, über Breisach durch das Gebiet des Herzogs von Burgund nach Avignon zu gelangen, was ihm aber verwehrt wurde. So suchte er die beiden vom Konzil an ihn gesandten Delegierten Zabarella und Fillastre auf und bot ihnen bei Gesprächen am 27. und 28. April an, selbst dann zurückzutreten, wenn die beiden Rivalen sich weigern sollten, sofern ihm nur das Konzil angemessene Bedingungen anbieten würde und auch Friedrich von Österreich Verzeihung gewährt würde.
Auf der siebten Sitzung am 2. Mai wurde den Kardinälen mitgeteilt, dass sie von nun an nicht mehr in ihrer Eigenschaft als Kardinäle, sondern nur noch als Mitglieder einer Nation Stimmrecht besäßen, worauf sich die sechzehn Kardinäle zu einer eigenen „Nation“ zusammenschlossen. Johannes wurde aufgefordert, binnen neun Tagen vor dem Konzil zu erscheinen, um sich wegen Häresie, Gutheißung des Schismas, Simonie und anderer Vergehen zu verantworten.
Die nächste Sitzung konnte dann aber erst am 13. Mai stattfinden, weil Johannes trotz einer von 300 Soldaten begleiteten Konzilsabordnung, die ihm dies mitteilen sollte, die Reise hinausgezögert hatte. Es wurde nun ein Ausschuss beauftragt, die Anklagen gegen den Papst zu sammeln. Schon am nächsten Tag, dem 14. Mai 1415, wurde dann auf der zehnten Sitzung das Urteil ausgesprochen: „Im Namen der Heiligen Dreieinigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen. Da vollkommen erwiesen ist, dass Papst Johannes XXIII. seit seiner Inthronisierung seine Funktionen als Lenker der Kirche schlecht erfüllt hat und … ein schlechtes Beispiel für die Christen gewesen ist, … erklären wir besagten Papst Johannes XXIII. als jeder päpstlichen Autorität im geistlichen und zeitlichen Bereich entkleidet; … und wir untersagen jedem Gläubigen, ihm Gehorsam zu leisten“ (Gill, J., a.a.O. S. 65).
Johannes wurde auf das Schloss Radolfzell gebracht. Dieser gab seine Siegel ab und nahm alles an, was man ihm vorschlug. Er verzichtete darauf, sich zu verteidigen, und erklärte, er wolle seine Verteidigung dem Konzil, das sich nicht täuschen könne, und der Gnade Sigismunds anheimstellen.
Das Konzil machte dann letztlich keinen Versuch mehr, die Anklagen auf Häresie zu beweisen. So wurde Johannes XXIII. letztlich vor allem abgesetzt, weil er dem Wohl der Kirche im Weg stand. Das ging weit über das hinaus, was man in Pisa dem Konzil zugebilligt hatte.
Die zwölfte Konzilsversammlung am 29. Mai wurde schließlich unter großer Prachtentfaltung abgehalten und ein Dekret veröffentlicht, das besagte, dass eine bevorstehende Papstwahl ohne Zustimmung des Allgemeinen Konzils nicht stattfinden könne.
Johannes XXIII. aber wurde abgesetzt. Als Begründung wurde angegeben, dass er durch seine Flucht die Kirche in Gefahr gebracht habe, dass er bekanntermaßen ein Simonist sei (also Ämterhandel in der Kirche betrieben oder akzeptiert habe) und dass seine Sitten verabscheuungswürdig seien.
Den Gläubigen wurde vom Konzil verboten, ihn Papst zu nennen oder ihm zu gehorchen. Er selbst wurde unter die Obhut Sigismunds gestellt. Das Konzil entschied außerdem, dass weder Baldassare Cossa (Johannes XXIII.) noch Angelo Corraio (Gregor XII.) noch Petrus de Luna (Benedikt XIII.) je wieder zum Papst gewählt werden sollten. Dann wurde das päpstliche Siegel gebracht und in feierlicher Zeremonie zerbrochen.
Das Urteil wurde auf der dreizehnten Sitzung noch einmal wiederholt und dem abgesetzten Papst in aller Form mitgeteilt. Dieser erhob keinen Einspruch, wurde nach zwei Tagen auf dem Schloss des Bischofs von Konstanz in Gottlieben einquartiert, wo auch Johannes Hus gefangen war, dann zuerst nach Heidelberg, schließlich nach Mannheim gebracht. Erst nach der Wahl Martins V. (am 11.11.1417) „wurde er gegen eine Zahlung von 30 000 Goldflorinen an Graf Ludwig von der Pfalz, in dessen Obhut er stand, freigelassen“ (Gill, J., a.a.O. S. 67).

(Fortsetzung folgt)
Thomas Ehrenberger

 

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